Marcus Hammerschmitt, seines Zeichens Schriftsteller und mehrfacher Buchautor, hat eine vierteilige Artikelserie für die Zeitschrift c’t verfasst. Kaltstart, so der Titel, beschäftigt sich mit Computernostalgie. Also all dem, was über den reinen Nutzfaktor dieser Geräte hinausgeht. Dabei hat Marcus Hammerschmitt auch einen Teil über den ATARI-Portfolio geschrieben. Dieser Teil ist exklusiv als Zitat aus seinem Werk auf auf atari-home.de zu lesen.
Wir wünschen viel Spaß beim Lesen!
„Als ich dieses Wunderwerk der Technik 1990 für ungefähr 800 DM kaufte (was, gelinde gesagt, hirnlos überteuert war), hatte ich den Apple IIc und seinen Zenith ja schon hinter mir. Weil ich gar so sehr meinen eigenen Rechner wollte, entschied ich mich für den „kleinsten PC der Welt“, wie der Atari Portfolio von der Werbung in Deutschland genannt wurde. Die besagten 800 DM für das Maschinchen auszugeben war hart, besonders wenn man bedenkt, daß eine zusätzliche 128 K RAM-Karte noch einmal mit 300 DM zu Buche schlug, aber die 4000 DM für ein ausgewachsenes System auf den Tisch des Händlers zu legen, war mir einfach unmöglich.
Ich war auf meine neue Errungenschaft sehr stolz. Meine Freunde lachten sich darüber krank, besonders die kleinen Knöpfe auf der Tastatur (die wirklich unglaublich klein sind) waren der Anlaß für manchen Scherz. Weil ich ziemlich große Hände habe, muß die Tastatur umso lächerlicher ausgesehen haben. Der Portfolio nahm Rache, als mein Hörspiel „Der silberne Thron“ gesendet wurde, dessen Erstversion ich mit dem Textverarbeitungsprogramm des Portfolio geschrieben hatte. „Textverarbeitungsprogramm“ ist vielleicht ein bißchen übertrieben. Man konnte nämlich mit diesem Programm Text nicht wirklich verarbeiten, sondern nur schreiben und speichern, und wenn man es denn unbedingt wollte, konnte man ihn auch direkt von der Maschine drucken, das geht wirklich, ich habe es probiert. Das Honorar für dieses Hörspiel ermöglichte mir den Kauf meines ersten echten Computers, eines 386ers, mit dem der Portfolio klaglos zusammenarbeitete. Auch mit dem Pentium, der danach kam, machte er keine Probleme, und zwar aufgrund der verfluchten DOS-Kompatibilität von Win95. Eine ganze Menge meiner Geschichten haben auf diesem Bildschirm das Licht der Welt erblickt. Kein sehr helles Licht, wie ich gestehen muß, weil der Bildschirm keine Hintergrundbeleuchtung hatte. Die Nützlichkeit des Maschinchens wurde durch seine geringe Performance eingeschränkt, aber es war über die Maßen tragbar. Die CPU war ein 80C88 Intel mit 4,92 Mhz. Ab Werk verfügte es über 128 K RAM, von denen 62 K für die eingebauten Programme reserviert waren, die in einem 256 K großen Rom wohnten: Das besagte „Textverarbeitungsprogramm“, eine Tabellenkalkulation (angeblich 1-2-3-kompatibel), ein Taschenrechner, ein Terminkalender, eine Datenbank für Adressen, und natürlich das Betriebssystem, das eine Art abgespecktes DOS war. Es konnte recht mühsam werden, Texte mit einer Größe von über 5K auf dem Portfolio zu schreiben, denn die simple Korrektur eines Tippfehlers verbrauchte dann bis zu 10 Sekunden. Über die anderen Programme weiß ich nichts, weil ich sie nie benutzt habe. Es gab ein handliches Interface für die Verbindung mit größeren Maschinen, und das Dateienübertragungsprogramm war leicht zu handhaben und zuverlässig, auch wenn die †bertragungsrate nur als mau bezeichnet werden kann. Der Bildschirm meisterte acht Zeilen mit je vierzig Zeichen (240 x 64 Pixel). Die Maschine kam mit drei handelsüblichen AA-Batterien a 1,5 Volt aus, wohingegen die zusätzliche RAM-Karte etwas exotischere Bedürfnisse hatte, die Zelle war sehr flach und ihre Lebensdauer wurde mit zwei Jahren angegeben, bei mir hat sie fast zehn Jahre gehalten. Das Gerät war 20 Zentimeter lang, 10 Zentimeter breit und 2,5 Zentimeter hoch. Es wog 350 Gramm (mit Batterien). Wie gesagt, kein elektronisches Superbrain, aber über die Maßen tragbar. Schön war’s.
Hier könnte ich es gut sein lassen, wenn meine Liebe zur Wahrheit mir nicht befehlen würde, auch die düsteren, ja geradezu abgründigen Kapitel in meiner Liebesaffäre mit dem Atari Portfolio zu erwähnen. Den Begriff „Datenverlust“ z.B. erlernte ich in Zusammenhang mit dem Portfolio. Ich hatte das Gerät noch relativ neu, und gab während einer Party wieder einmal damit an. Bis dahin hatte ich etwa zwanzig Seiten Text verfaßt, die alle ohne Backup auf der RAM-Karte gespeichert waren: Gedichte und kurze Prosatexte. Ich zeigte den anderen die RAM-Karte, das kleine, elegante Wunderwerk, und als mich einer fragte, wie diese Karte die Information speicherte, die ich auf ihr abgelegt hatte, öffnete ich das winzige Batteriefach und zog die winzige Batterie heraus. Ich freute mich noch selbst an dem netten Babuschka-Effekt, den ich dadurch erzeugt hatte, als mir zu Bewuß tsein kam, daß ich soeben 20 Seiten geschriebenen Text ins Datennirvana geblasen hatte. Meine Reaktion war klassisch: „Oh, Scheiße“. Es gab welche, die lachten so sehr, daß sie auf die Toilette mußten. An die Texte, die ich bei der Aktion verloren habe, kann ich mich kaum erinnern, was ich von ihnen noch weiß, wirkt von heute aus entbehrlich. Aber das Gefühl, mit dem ich lächelnd die Batterie in ihr winziges Schubfach an der RAM-Karte steckte, und die RAM-Karte zurück in den Rechner (umgekehrter Babuschka-Effekt), das vergesse ich nicht. Einer der Gründe, weswegen ich ein wenig neurotisch mit Datensicherung bin, ist der Babuschka-Effekt.“
Zitat aus der C’t Artikelserie Kaltstart (erschienen im Heise Verlag) von Marcus Hammerschmitt.
Mit freundlicher Genehmigung des Heise Verlags und Marcus Hammerschmitts.
Tags: portfolio
Erstellt am 31.Mrz.2003 von johannes